Coastal Research an der UNSW

28.10.2020

50 Jahre Coastal Research an der UNSW Sydney

Prof. Rob Brander, Palaentology, Geobiology and Earth Archives Research Centre (PANGEA) erzählt Geschichten aus der Feldforschung, die lustig, abenteuerlich und manchmal sogar lebensbedrohlich sind. Darüber hinaus ist diese Sammlung ein spannendes wissenschaftsgeschichtliches Dokument.

Im Gegensatz zu den anderen Ausgaben des Journal of Coastal Research der UNSW geht es in der 101. Ausgabe nicht um neue Forschungsergebnisse aus der Küstenforschung, sondern darum wie und unter welchen Umständen man zu wissenschaftlichen Ergebnissen kommt. Prof. Rob Brander, Palaentology, Geobiology and Earth Archives Research Centre (PANGEA) erzählt Geschichten aus der Feldforschung, die lustig, abenteuerlich und manchmal sogar lebensbedrohlich sind. Darüber hinaus ist diese Sammlung ein spannendes wissenschaftsgeschichtliches Dokument.
 

Haie und Wirbelstürme: Ausgewählte Abenteuer aus 50 Jahren Küstenforschung

Eine neue Sammlung von Geschichten aus der Feldforschung enthüllt die aufregenden und manchmal lebensbedrohlichen Dimensionen der Wissenschaft.

Rob Brander hatte beide Hände fest gegen die Wand seines Zeltes gedrückt, um gegen die orkanstarken Winde anzukämpfen, mit denen der Mini-Zyklon wütete.  Das war im Februar 1992, zu Beginn seiner Karriere als Forscher im Bereich Coastal Research. Er half Kollegen bei ihren Feldarbeiten am abgelegenen Nine Mile Beach in Zentral-Queensland. Der Sturm war plötzlich aufgezogen, und die nächste Stadt lag eine zweistündige Autofahrt mit dem Geländewagen entfernt. Die einzige Möglichkeit für das Team bestand darin, sich irgendwie und irgendwo vor Ort Schutz zu suchen.
Der Regen draußen war nicht nur sintflutartig, sondern auch horizontal. Das Donnern ohrenbetäubend. Ein Blitz beleuchtete eine Rinderherde, die über den Strand stampfte, aber die Wissenschaftler hatten keine Zeit, diesen bizarren Anblick zu genießen - oder auch nur in Frage zu stellen. Sie waren damit beschäftigt, ihr Körpergewicht einzusetzen, um das Zelt aufrecht zu halten.
Eine Windböe erfasste plötzlich die Vorderseite des Zeltes und hob es mitsamt seinen Insassen vollständig in die Luft. Die Forscher wurden meterweit auf den Rücken geworfen, während das Dach akurat abgerissen wurde.
"Als Feldforscher ist man den Bedingungen völlig ausgeliefert", sagt Professor Brander, jetzt Küstengeomorphologe an der UNSW Sydney. "Man kann das beste Experiment planen, aber es gehört immer auch viel Glück dazu, wenn man draußen im Feld ist - im Guten wie im Schlechten.
Das Erlebnis der Nine Mile Beach Reise ist eine der vielen Erinnerungen, die in "Stories from the Field" festgehalten sind, einer Sonderausgabe des Journal of Coastal Research, in dem auf 50 Jahre Forschung von Küstenwissenschaftler*innen aus aller Welt zurückgeblickt wird. Prof. Rob Brander hat die Sonderausgabe gemeinsam mit seinem Kollegen und ehemaligen Doktorvater Prof. Andy Short von der University of Sydney herausgegeben.

Im Gegensatz zu den meisten wissenschaftlichen Zeitschriften geht es in dieser Ausgabe in erster Linie nicht um Wissenschaft, sondern um die Geschichten, wie man seine Forschungsergebnisse bekommt. Jede Geschichte ist gespickt mit lustigen, unheimlichen oder lebensbedrohlichen Momenten.
"Als ich in den 1980er Jahren mit der Feldforschung begann, dauerte es sehr lange - manchmal Monate - bis ich die Daten bekam. Man stellte seine Instrumente ins Wasser und wartete auf die richtigen Bedingungen", sagt Prof. Brander.
"Um die Zeit auszufüllen, erzählten die älteren Forscher all diese unglaublichen Geschichten über vergangene Feldforschungen. Wissenschaftler, über die ich in Lehrbüchern und bahnbrechenden Arbeiten gelesen hatte, verwandelten sich für mich damit in fast mythische Figuren. Diese Geschichten aus der Feldforschung wurden so zu einer Art Überlieferung.”

Heute bedeuten Verbesserungen in der Technik, dass Messdaten fast sofort verfügbar sind. Durch diese Fortschritte sind die Feldforschungen zwar effizienter geworden, aber die Abende können mit der Analyse der Daten statt mit dem Erzählen von Geschichten verbracht werden.
"Ich hatte das Gefühl, dass wir einen Teil unserer Geschichte verlieren”, sagt Prof. Brander. "Diese Sonderausgabe wurde zu meinem Herzensprojekt.
"Wissenschaftliche Feldforschung beinhaltet oft extreme Orte und Bedingungen. Es passieren wilde, bizarre und unerwartete Dinge, aber gleichzeitig werden bedeutende wissenschaftliche Fortschritte erzielt. Das wollte ich festhalten."
 

Aus Liebe zur Feldarbeit

Der Mini-Zyklon hat die Forschungsreise nach Nine Mile Beach nicht beendet. In den folgenden Tagen schwamm Prof. Brander von einem Hai weg, wurde von einer Waffe und einem Haustier-Dingo bedroht und lag mit einem tropischen Geschwür im Krankenhaus.
Trotz alledem stellte er sich nur wenige Monate später freiwillig für die nächste Exkursion zur Verfügung.
"Es macht süchtig", sagt Prof. Brander. "Sowohl die physische als auch die wissenschaftliche Herausforderung. Manche Menschen blühen einfach auf."

Prof. Brander hatte schon früh für sich entschieden, dass er im Freien arbeiten wollte. Als er im ersten Studienjahr seinen Dozenten für physikalische Geographie über Feldforschung sprechen hörte, zog er eine Karriere in der Küstenforschung in Betracht.
"Ich erinnere mich, dass sich alles daran für mich fantastisch anhörte ich dachte. Also fragte ich meinen Professor, ob er Studenten einstellen würde", erzählt Prof. Brander. "mein Professor sagte ja, unter der Bedingung, dass ich einen Tauchschein machen würde.”

Bald darauf wurde Prof. Brander Taucher für Experimente an der Küste. Zu dieser Zeit lebte und studierte er in Kanada und musste in kaltem Wasser - manchmal bis zu acht Grad Celsius kalt tauchen, - wochenlang, täglich bis zu sechs Stunden.
Die Bedingungen schreckten Prof. Brander nicht von einem wissenschaftlichen Leben in der Küstenforschung ab. Stattdessen motivierten sie ihn dazu, in die wärmeren Gefilde Australiens zu ziehen. In den 1990er Jahren waren hier Badehose und Hut seine Arbeitsuniform.


Mit Fingerspitzengefühl und “Tiny Teddy” Keksen
Für Rob Brander müssen Feldforscher schnelle Denker sein, um auftretende Probleme zügig lösen zu können. Sie müssen darüber hinaus auch über viele praktische Fähigkeiten verfügen, die normalerweise nicht in der Stellenbeschreibung stehen, wie Einfallsreichtum und technisches Verständnis.
"Manchmal versagen Geräte, so dass man herausfinden muss, wie man die Instrumente neu verkabelt, damit das ganze Experiment nicht scheitert", sagt er.

Die beeindruckendste Feld-Innovation, die Prof. Brander je gesehen hat, fand während des Nine Mile Beach-Experiments statt. Der Strand hatte extreme Ebbe und Flut-Bewegungen (als "Makrotidal" bezeichnet), was bedeutete, dass die Unterwasserausrüstung den ganzen Tag über häufig der Luft ausgesetzt war.  
"Eines der Probleme mit den Durchflussmessgeräten bestand darin, dass sich die Flügelräder (Rotoren) im Wind wie verrückt drehten, wenn sie der Luft ausgesetzt waren, wodurch die Lager schnell verschleißen konnten", schreibt er in der Sonderausgabe.

"Dave Mitchell. einer unserer Techniker vor Ort, legte Tiny-Teddy-Kekse für Kinder in die Flügelräder, wenn diese aus dem Wasser kamen, und hinderte sie so daran, sich zu drehen. Die Kekse lösten sich auf, wenn die Sensoren das nächste Mal untergetaucht wurden, und die Durchflussmesser begannen wieder zu messen. Einfach genial".
 

In anderen Fällen sind Überzeugungskraft und Taktgefühl hilfreich, wenn es um den Umgang mit menschlichen Bedrohungen geht.

Am letzten Tag der Forscher am Nine Mile Beach wollte eine Gruppe von Bergarbeitern, die in der Nähe campten, ihre Vorräte beschlagnahmen. Die Bergleute begannen, das Lager in ihren Geländewagen zu umrunden, schossen mit ihrer Waffe in die Ferne und hetzten einen Haustier Dingo auf dei Gruppe der Wissenschaftler.
"Die ganze Situation fühlte sich an wie etwas aus Apocalypse Now, oder noch schlimmer", schreibt Prof. Brander. "Ich dachte, wir wären erledigt."

Sie wurden von Doktorand Ian Turner, heute Professor an der UNSW im Bereich Engineering, aus der Situation geredet.
"Ian hat es wunderbar gemeistert. Er tauschte die richtigen Scherze aus, lachte, es sah sogar so aus, als würde er sich amüsieren. Es war eine beeindruckende tour de force, die uns vielleicht das Leben gerettet hat."
Prof. Turner, Leiter des Water Research Laboratory an der UNSW, erinnert sich, dass er einfach nur noch nach Hause wollte.  
"Ich war erleichtert, dass wir am Ende einer langen und herausfordernden Exkursion standen", sagt er.
"Ein paar Typen mit Gewehren und einem Dingo waren damals für mich irgendwie unbedeutend, verglichen mit der Aussicht, am nächsten Tag zusammenpacken und abreisen zu können. Nichts hätte mich hier aufhalten können."
 

Die Tradition des Geschichtenerzählens bewahren

Verbesserte Technologie und die Entwicklung von Arbeitsschutzgesetzen haben für Prof. Brander in den letzten 50 Jahren in der Feldforschung für die größten Veränderungen gesorgt.
"In der Anfangszeit hatte man Glück, wenn die Instrumente in 30-50 Prozent der Fälle funktionierten", sagt er. "Heutzutage liegt die Erfolgsquote oft bei fast 100 Prozent.

Die Geräte sind auch einfacher einzurichten und zu benutzen, und die von ihnen gezogenen Daten können in Echtzeit angezeigt und heruntergeladen werden.
Während die neue Technologie die Form der Feldarbeit verändert hat, hofft Prof. Brander, dass die Tradition des Geschichtenerzählens fortgesetzt wird.
"Als junger Wissenschaftler war für mich das Hören all dieser großartigen Geschichten eine der besten Seiten der Feldforschung", sagt er.

"Wenn Wissenschaftler zusammenkommen sprechen sie über ihre Forschung, aber auch heute fangen sie noch ausnahmslos damit an, Geschichten zu erzählen - eine Art Weitergabe von Tradition und Folklore.
"Während sich unsere Ausgabe auf die Küstenforschung konzentriert, hoffe ich, dass sie auch Feldforscher aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen dazu inspiriert, ihre Geschichte der Feldforschung und die damit verbunden Stories und Geschichten festzuhalten.